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Samstag, 20. Mai 2006

Collaborative Learning

Effektivität von Online-Kursen: Eine Analyse von Studenteninteraktionen und Lernwahrnehmungen


Es wurden über eine Online-Umfrage 19 graduierte Online-Kurse analysiert, um herauszufinden, wie dort die Wahrnehmung des Lernens variiert und welche Rolle die aktive und passive Beteiligung von Studenten bei Online-Diskussionen spielt. Aus 527 angemeldeten Studenten wurden 328 Freiwillige für die Studie ausgewählt, davon waren 108 männlich und 220 weiblich. Die Personen waren ethnisch in 200 weiße, 82 afroamerikanische, 1 spanischen, 8 asiatische und 20 andere Teilnehmer aufgespaltet.
Die Kurse wurden von einer Universität im US-Staat Virginia angeboten und liefen über das „Blackboard.com e-learning-System“. Diese Lernplattform bietet Produktivität, Kommunika-tion, Beurteilung sowie inhaltssteuernde Werkzeuge und erlaubt somit den Lehrern ihre Onli-ne-Kurse individuell zu gestalten bzw. zu präsentieren.
Das wahrgenommene Lernen wurde durch Selbstbeurteilung bzw. Selbsteinschätzung des eigenen Lernens der Studenten gemessen. Dieses Instrument wurde erstmals von Richmond angewendet und wird seither bei vielen lernbezogenen Studien eingesetzt.
Die Teilnehmer wurden bezüglich ihrer unterschiedlichen Lernwahrnehmungen zu folgenden Punkten befragt:
•Wie viel hast du in diesem Kurs auf einer Skala von 0 – 9 gelernt? (0 = nichts gelernt, 9 = mehr gelernt als in jedem anderen Kurs)
•Wie viel hättest du in diesem Kurs gelernt, wenn es sich um einen regulären Kurs im traditionellen Klassenzimmer gehandelt hätte? (Skala von 0 – 9)
•Wie viel hättest du lernen können, wenn du den idealen Lehrer gehabt hättest?

Weiters wurde in diesem Zusammenhang die Beziehung zwischen aktiver und passiver Beteiligung der Lernenden bei Online-Diskussionen näher untersucht. Die aktive Interaktion wurde aus der Zahl der studentischen Einträge in der Diskussionsplattform pro Woche errechnet. Die Studierenden haben selbst etwas zu sagen und liefern Beiträge ab. Damit deklarieren sie soziale Präsenz und sind in den Lernprozess involviert.
Die passive Interaktion hingegen wurde anhand der wöchentlichen Zutritte zur Kursdiskussion bestimmt. Es wurde repräsentiert, wie oft die Studenten das Forum besucht und vermutlich nur die anderen Einträge gelesen hatten. Wenn sich Studenten passiv beteiligen, lesen sie nur die bereits vorhandenen Botschaften oder hören zu, anstatt sich selbst an der Diskussion zu beteiligen und Beiträge zu verfassen.
Die Ergebnisse der Studie lieferten letztendlich Beweise dafür, dass nicht alle Online-Programme sowie Online-Kurse gleich effektiv sind und große Unterschiede in der Wahrnehmung von Lernen zwischen einzelnen Kursen bestehen. Qualitätssicherung scheint grundsätzlich ein Problem bei internetbasiertem Lernen darzustellen.
Weiters brachte die Studie zum Ausdruck, dass weibliche Teilnehmer im Kurs mehr gelernt hatten als ihre männlichen Kollegen. Einen Grund dafür könnten nach Belenky, Clinchy, Goldberger und Tarule die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Kommunikationsverhalten darstellen. Die Mehrheit der Männer geht den autonomen Weg mit Wettbewerbs- und Konkurrenzdenken, die meisten Frauen hingegen sind offener für Beziehungen und Koopera-tion. Als Benützer von e-learning-Programmen ist man zunächst auf sich allein gestellt und zwar so lange, bis möglicherweise eine virtuelle Gemeinschaft entsteht, die ein eigenes Wissensgebäude errichtet. Damit es dazu kommt, ist das Arbeiten im Team und die Zusammenarbeit untereinander erforderlich, weil nur im Miteinander Wissen entsteht.
Erst wenn man sich selbst einbringt ist man integriert und es können sich dieses Wir-Gefühl und die geistige Zusammengehörigkeit entfalten, die auch in Klassenzimmern zu spüren ist.
Was die Aktivitäten der Studenten bei Online-Diskussionen betrifft, so war nur die aktive Interaktion ein bedeutender Faktor für effektiv wahrgenommenes Lernen. Die passive Beteiligung war nicht von Bedeutung. Es traten keine Beweise zutage, dass eine geringe Kursbeteiligung automatisch geringere Lernergebnisse zur Folge hatte.
Ein anderer für mich interessanter Aspekt der Studie offenbart die Tatsache, dass sich Studierende nach eigenen Angaben in einem traditionell abgehaltenen Kurs mehr Wissen angeeignet hätten. Der Unterricht mit einem idealen Lehrer hätte größere Lernerfolge eingebracht. Es besteht hier also die Annahme, dass Lernende dem pädagogischen Geschick mehr Bedeutung beimessen als der Art des Mediums, das den Stoff vermittelt. Clark bestätigt diese Aussage durch seine These, in der es heißt, dass nicht das Medium selbst ausschlaggebend für positves Lernen ist, sondern wie es genützt wird.
In erster Linie braucht es dafür ein geeignetes Programm, das eine interessante Aufbereitung der Inhalte erlaubt. Es sollte Schulen oder anderen Institutionen die Möglichkeit bieten, ihre eigene Individualität darzustellen und sich nicht an Standardvorgaben halten zu müssen. Es gibt unterschiedliche Kursdesigns und gerade diese Vielfalt macht es schwierig, ein Konkretes zu definieren. Manche Kurse laufen nur online ab, andere wiederum gestatten zwischendurch persönliche Treffen. Manche setzen Gruppenarbeit voraus, andere nicht. Meiner Meinung nach sollte man ein Design wählen, das den Ansprüchen von Lehrenden und Lernenden sowie den gestellten Aufgaben am besten entspricht und am ehesten positive Lernergebnisse garan-tiert.
Ein wichtiger Faktor sollte jedoch auf jeden Fall enthalten sein, nämlich jener der Interaktion. Wagner definiert Interaktion als Zusammenspiel und Austausch in dem Einzelne und Gruppen sich gegenseitig beeinflussen. Sie richtet sich in unserem Fall sozusagen auf das zwischenmenschliche Verhalten im Lernprozess. Dies sollte keinesfalls zu kurz kommen, weil es Lernen positiv beeinflussen kann. Elektronische Lernsysteme sind normalerweise interaktiv gestaltet und ermöglichen so den Kursteilnehmern ihr Wissen selbständig zu konstruieren und Eigenverantwortung für ihr Lernen zu übernehmen. Zu diesem Zwecke werden Teilnehmer bei Online-Kursen öfters aufgefordert bzw. angeleitet, mit Hilfe verfügbarer Ressourcen selbst Antworten auf Fragen zu finden. Diese Aufgabe sehen viele als schwierig und mühsam an. Sie würden sich die Sachverhalte lieber vom Lehrer persönlich im Klassenzimmer erklären lassen. Man neigt hier definitiv zu Bequemlichkeit und schiebt die Bearbeitung der Inhalte nur allzu gern hinaus. Manche Teilnehmer finden die Dialoge in Textform langweilig und uneffektiv, vor allem deswegen, weil die visuelle Vorstellung fehlt. In gewöhnlichen Diskussionen im Klassenraum kann die Lehrperson einen Inhaltspunkt parallel zu seinen Ausführungen z.B. an der Tafel näher erläutern und so den Lernenden transparent machen.
Ich glaube, wie jemand Wissen aufnimmt, ist vom Lerntypus abhängig, d.h. reagiert man eher auf optische oder akustische Reize. Auch die durchgeführte Studie in den USA beweist, dass beim Lernen höhere Leistungen erbracht werden, wenn jene Gehirnhälften angesprochen werden, für die der Lernende eine Vorliebe aufweist. Rechts zentrierte Personen sind phantasievoll und dynamisch Lernende und profitieren Studien zufolge am meisten von Online-Diskussionen. Dem möchte ich widersprechen, weil wir unsere Profile verschiedenen Aufga-ben an passen können und nicht nur in ein konkretes, starres Muster hineingepresst sind.
Ferner spielt die Lernumgebung für positives Lernen eine wichtige Rolle. Es braucht die spürbare menschliche Energie, das Charisma und die Persönlichkeit eines guten Lehrers, den viele Studierende bei Online-Kursen vermissen. Doch Lehrer haben auch online die Möglichkeit, die Kommunikation zu beeinflussen und so untereinander bestehende soziale und psychologische Barrieren zu reduzieren bzw. abzubauen. Die verbale Direktheit des Lehrers kann dahingehend erfolgen, dass er die Lernenden mit ihrem Namen anspricht, Humor einfließen lässt oder deren persönliche Meinung zu einem bestimmten Thema erbittet.
Als schwieriger erweist sich in einer auf Text gestützten Umgebung die nonverbale Kommunikation wie der Augenkontakt, Mimik und Gestik sowie die gesamte Körperhaltung.
Lehrer müssen ihre Schüler generell – egal ob virtuell oder im Klassenzimmer - zum Lernen motivieren, sie bestärken und anleiten sowie ständig neue Aufgaben zur Diskussion stellen.
Dann könnte die Aussage von Hirumi und Bermudez zutreffen, wenn sie behaupten, dass On-line-Kurse interaktiver als traditionelle seien und mehr persönliches Feedback bieten würden. Auf virtueller Basis kann oft besser auf die Bedürfnisse einzelner Studenten eingegangen werden. Das ist in der Tat so, wenn man an die hohen Schülerzahlen in den Klassen denkt.
Bei einem von mir besuchten Online-Kurs war die Lehrperson nicht so präsent, wie sie hätte sein sollen. Jede noch so eigens intensiv betriebene Beteiligung am Kurs ist umsonst, wenn nichts zurück kommt - sprich das Feedback fehlt. Es können zwar die Teilnehmer untereinan-der diskutieren, aber man braucht auch jemanden, der neue Inputs liefert und die Diskussion leitet. Sonst verliert man irgendwann das Interesse daran und lässt es schließlich ganz bleiben.
In so einem Fall müsste ich Walker Glauben schenken, wenn er sagt, dass Konversation das falsche Mittel für den Umgang mit einem Computer ist. Mit dem Computer zu interagieren heißt nicht, sich mit einer anderen Person zu unterhalten.

So wie vieles im Leben hat auch das Lernen über Online-Kurse seine wie im Seminar diskutierten Vor- und Nachteile. Jedenfalls führen Strategien, die eine aktive Interaktion fördern, zu verbesserten Lernwahrnehmungen sowie gesteigerter Zufriedenheit bei den Lernenden. Aus der Online-Bildung zieht man nur einen Nutzen, wenn die Kurse sorgfältig entworfen sind. Technologie ist nicht selbsterfüllend: Ein effektives Kursdesign sowie pädagogische Kenntnisse werden benötigt, um qualitative Bildungsergebnisse zu erreichen.

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